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Als der Jazz an den Mittelrhein kam

KulturInfo Dezember 2010

Als der Jazz an den Mittelrhein kam

Von Hans Rossbach 1950 gegründet, geht der Jazz Club Koblenz jetzt in sein siebtes Jahrzehnt

Von Andreas PechtHans Rossbach mit Kenny Clarke und Bud Powell

Als Hans Rossbach am 1. Dezember 1950 den Jazz Club Koblenz ins Leben rief, war dessen heutiger Vorsitzender noch gar nicht geboren. Günther Schmitz (Jahrgang 1956) ist vergangenes Jahr ins Amt gewählt worden (Stellvertreter: Dr. Jürgen Schumacher). Er durfte seither im Verein vereinzelt auch Neumitglieder begrüßen, die dem Alter nach seine Kinder und Rossbachs Enkel sein könnten. Nicht, dass der Jazz Club eine Jugendorganisation geworden sei; das Durchschnittsalter der mehr als 200-köpfigen Mitgliedschaft liegt anhaltend etwas oberhalb von 50 Jahren. Aber die heuer 60-jährige Existenz des Vereins mit unspektakulär, aber doch stetig nachwachsenden Mitgliedergenerationen macht deutlich: Der so oft vernommene Kassandra-Ruf vom Absterben des Publikums für Jazz und andere anspruchsvolle Kunstformen, er will sich partout nicht bewahrheiten.

 

Der Jazz lebt und findet nach wie vor seine Gemeinde - auch wenn das Genre weder mehrheitsfähig noch Massenbewegung ist, es in Deutschland nie wirklich war. Davon konnte der im November 2001 im Alter von 77 Jahren gestorbene Rossbach manches Lied singen. Denn er hatte nicht nur den Koblenzer Jazz Club gegründet, der Anfang der 50er noch unter dem Namen „Club zur Förderung progressiver Musik" firmierte. Er war damals vielmehr als unermüdlicher Jazz-Missionar durch Stadt und Umland gezogen, um seinen Landsleuten Ohren, Hirn und Herz zu öffnen für die von den Nazis als „Neger- und Untermenschen-Gedudel" diskriminierte, verbotene, verfolgte Jazz-Musik.

 

Insofern darf Hans Rossbach als Stammvater und Nestor der mittelrheinischen Jazz-Szene gelten. Einer Szene, die Schmitz heute keineswegs auf seinen Verein beschränkt sehen will. Der Jazz Club Koblenz sei in seiner Kontinuität und mit rund zehn hochwertigen Konzerten jedes Jahr gewiss eine der wichtigen Säulen des Jazz-Geschehens in der Region, meint er. Aber der Clubvorsitzende hat so wenig wie seine Vorgänger Rossbach und nachher Frank Thierauf Probleme damit, die Verdienste anderer Jazz-Freunde anzuerkennen.

 

Egal ob in Koblenz die „Gecko-Lounge" regelmäßig Keller-Jazz bietet oder die Rhine Phillis als Jazzorchester der Rheinischen Philharmonie zum Konzert im Görreshaus einladen. Ob in Neuwied die „Jazzküche" monatlich eine Bistro-Session anrichtet oder Werner Oberender und Freunde seit 32 Jahren das international besetzte Jazzfestival ausrichten. Oder, oder - Jazz ist am Mittelrhein heimisch und die Szene quietschlebendig. Das freut den Vorsitzenden des Clubs. Und ausdrücklich unterstreicht Schmitz im Gespräch, dass manch kräftiger Impuls in den letzten zwei, drei Jahrzehnten nicht zuletzt aus Schulen kam, wo engagierte Musiklehrer Jazz-Ensembles auf die Beine stellten. Beispielsweise am Gymnasium Mayen, oder am Musikgymnasium Montabaur, wo viele Jahre der rührige Jazz-Förderer Uli Adomeit wirkte.

 

Zurück zum 60. Geburtstag des Koblenzer Jazz Clubs und damit automatisch auch zurück zu Hans Rossbach. Denn ohne dessen frühe Anstöße und dann 46 Jahre andauernde Bemühungen als Clubvorsitzender hätte der Jazz am Mittelrhein nicht das Standing erreicht, das er jetzt hat. Der Überzeugungstäter zog ein Publikum und ein Verständnis für „seine Musik" regelrecht heran. In den 50ern als Pionier, der seinen Mitmenschen vorstellte, was sie seit 1933 musikalisch verpasst hatten. Das war nicht einfach, noch in der Adenauer-Zeit galt vielen Deutschen Jazz gemeinhin als subversive „Hottentotten-Musik".

Die erste Zusammenkunft auf dem Weg zum Jazzclub gab es 1950 in den damaligen Rot-Weiß-Stuben in der Koblenzer Südstadt. Rossbach hatte gestreut, man wolle am Ort etwas mit Jazz machen. Bei seinem Abschied vom Club-Vorsitz 1996 erzählte er: „Da kamen dann die abenteuerlichsten Leute mit ihren Instrumenten an." Irgendwie wurde aus dem wilden Haufen doch ein Club, der es fertigbrachte, internationale Größen des Jazz in den Saal des katholischen Lesevereins zu holen. Darunter Musiker wie Oscar Peterson, Bud Powell, Bill Evans, Art Blakey oder Woody Herman. Zum allerersten von Rossbach organisierten Jazz-Konzert rückte die Joe-Klimm-Combo in Koblenz an, bei der Emil Mangelsdorff seinerzeit erste Meriten erwarb. Und das waren nicht etwa Gigs vor ein paar Dutzend Spezialisten. Oft strömten Hunderte von Zuhörern zusammen. Bei Oscar Peterson sollen es mehr als 1000 gewesen sein.

 

Es folgten unter Rossbach und des Jazz Clubs Ägide unzählige Konzerte. Bis 1996 weit über 200. Oder waren es doch 300? Die Erinnerungen der Chronisten gehen da auseinander, zumal manche Keller-Session, bei der der Club-Vorsitzende die Finger im Spiel hatte, nirgendwo aufgeführt ist. Zur Konzertorganisation kam die Aufklärungsarbeit: Rossbach selbst sprach einmal von 240 Vorträgen, mit denen „ich die Heilkunde des Jazz verbreitete". So sieht kein Hobby aus, das ist Leidenschaft, Passion. Und die galt nicht dem Mainstream-Jazz allein.

 

Rossbach war als 17-Jähriger während des Krieges über den Bigband-Swing von Duke Ellington und Glenn Miller mit dem Jazz-Virus infiziert worden - beim heimlichen Hören der „Feindsender". Erstmal drin in der Jazzwelt, kam der Bursche aus Lahnstein auch mit anderen Jazz-Stilen in Berührung, wuchs mit deren Fortentwicklungen zum reifen Kenner der gesamten großen Jazzfamilie heran. All die verschiedenen Strömungen des Jazz und ihre international besten Interpreten in Koblenz vorzustellen, das wurde eine der zentralen Aufgaben des Jazz Clubs - ist es bis heute geblieben. Vergangene Saison beispielsweise hatte das Konzertprogramm des Clubs einen Schwerpunkt bei New German Jazz. Diesmal spielt internationaler Modern Jazz eine besondere Rolle. Wobei der Club den Ehrgeiz hat, nicht nur Top- Berühmtheiten herzuholen, sondern eine Nase für Neulinge zu zeigen, die demnächst erst auf dem ganz großen Parkett reüssieren könnten.

 

Während seiner 60 Jahre bespielte der Jazz Club etliche Bühnen und Etablissements am Ort, von denen es einige längst nicht mehr gibt. Der Verein aber ist noch da; als sein Stammhaus gilt seit geraumer Zeit das Café Hahn. „Weil da alles passt", sagt Schmitz. Wie jeder andere Kulturverein, muss auch der Jazz Club mit spitzem Stift rechnen. Bei 60 Euro Beitrag pro Mitglied und Jahr halten sich die Möglichkeiten in Grenzen. Gut, dass es Förderer und Sponsoren gibt, sowie mit der Koblenz Touristik einen starken Kooperationspartner fürs Konzertangebot. Das erhöht die Chance, dass der Jazz Club Koblenz auch in seinem siebten Jahrzehnt Gewichtiges zum Kulturleben am Mittelrhein beisteuern kann.

 

Quelle: kulturInfo 12-2010

 

 

 

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