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Alexandra Lehmler Quintett (16.01.2012)

Rhein-Zeitung vom 20.01.2012

Zierliche Chefin gibt im Quartett gekonnt den Ton an

Konzert

Alexandra Lehmler überzeugt mit Band im Café Hahn –

Musiker präsentieren Songs aus dem brandneuen Album „No blah blah“

Von unserem Mitarbeiter Michael Schaust

 

Zeiten, in denen weibliche Saxofonistinnen rare Ausnahmen wie Barbara Thompson bildeten, sind längst passé. Und nach Angelika Niescier und Karolina Strassmayer ist jetzt mit Alexandra Lehmler innerhalb von eineinhalb Jahren die dritte klasse Bläserin in Koblenz zu Gast gewesen. Der Jazzclub hatte die 32-Jährige ins Café Hahn eingeladen.

Der Klub ist gut gefüllt. Die blonde, zierliche Chefin des Quintetts lässt vom ersten Ton an keinen Zweifel daran: Hier wird in einem gut eingespielten Team auf hohem Niveau musiziert („No blah blah“ heißt die brandneue CD). Improvisation ist Trumpf, doch die Melodiefäden spinnen sich ausgewogen weiter. Freie Interaktion bedeutet nicht, sich auf Kosten des Kollektivs auszutoben. Die Rhythmussektion, bestehend aus Bassist, (Mit-)Komponist und Ehemann Matthias Debus, Schlagzeuger Max Mahlert und Perkussionist Rodrigo Villalon, gibt die Basis für Ausflüge von Lehmler und von Pianist Oliver Maas. Sie unterstützen vor allem die Frau am Alt-, Bariton- und Sopransaxofon mit kunstvoll eingearbeiteten wie verqueren Takten und glänzen zudem mit solistischen Kabinettstückchen – vor allem der Deutsch-Kolumbianer bringt Worldmusic-Drive ins Geschehen der Mannheimer Band.

Die Roots im Blut, aber eigenständig und ohne direktes Covern unterwegs, bewegt sich das Quintett auf komplexen, aber nicht vertrackten Pfaden. Im rockjazzigen „Opener“ wechselt Maas vom Flügel zum Keyboard und dreht etwas an der psychedelischen Klaviaturschraube.

Nach dem wilden Parforceritt taucht die Truppe mit „Felina by night“ in scheinbar zartere Gefilde ein. Doch der bedrohliche, leicht gruselige Unterton durch Tieftönerstreichen und pianistische Klangverfremdungen verweist auf Erfahrungen in einer weitläufigen Fabrikhalle, in der das Alexandra Lehmler Quartett (ALQ) übt. Die Stücke haben stets Bezüge zu erlebten Dingen, so wie „Frieda“, der Hommage an Alexandras Oma, Förderin der Enkelin. In „Die Welt von unten gesehen“ kommt die Assoziation zum Blickwinkel der Kinder auf, doch die zweifache Mutter Lehmler überlässt es dem Zuhörer, welche Verbindung er damit verknüpft. Einer Schlangenbeschwörerin gleich erzeugt sie mittels Sopran orientalische Klänge. Zwischendurch entsteht im Gruppenverbund eine kurze Soundkakophonie, doch die Fünferband kehrt schnell wieder in tonale Bahnen zurück. „Sun dance“ hat dagegen die Leichtigkeit des Tanzes im Sonnenlicht – formidabel in hellen Lagen von Lehmler intoniert.

Und in „Supergau“ verarbeitet die Frontfrau ihre Erlebnisse am Tag des Atomunfalls von Fokushima. Ambitioniert am Klavier agierend, erfährt sie von der Katastrophe. Das Hin- und Hergerissensein zwischen Kreativität und tiefer Betroffenheit macht sich in der Nummer durch balladesken Anfang und flotten, energetischen Tastendruck bemerkbar.

Auch die Zugabe „Schleierwolken“ ist ein Rückgriff auf Erlebtes. Das ruhige Stück schwebt wie der nie ganz klare Himmel Mannheims über den Köpfen und nistet sich in die Hörgänge des begeisterten Publikums ein.

RZ Koblenz und Region vom Freitag, 20. Januar 2012, Seite 22 (0 Views)

 

Das Saxofon war im Hause Lehmler zunächst gar nicht gern gesehen

Aus Alexandra Lehmler wäre sicherlich auch eine ausgezeichnete Pianistin geworden, wenn nicht der Opa das Klavier zu Brennholz zerhackt hätte. Als Achtjährige begeisterte sie sich fürs Saxofon. Die Eltern waren nicht angetan, und so musste die am 30. Oktober 1979 in Bad Ems Geborene erst mal fünf Jahre Klarinette spielen. Mit 13 Jahren erlernte sie neben Alt- und Sopransaxofon auch Bassklarinette. Zeitgleich fasste sie den Entschluss, Musik zu studieren. Und mit 16 nahm sie dann schließlich doch noch Platz am Klavier. Als Saxo-Schülerin wurde ihr Charlie Parker nahegelegt, sie entdeckte aber den treibenden Funksound von Marceo Parker. Mehrfach wurde Alexandra Preisträgerin bei „Jugend jazzt“. Zunächst spielte sie in den Landesjugendjazzorchestern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, später im Bundesjazzorchester unter Leitung auch von Peter Herbolzheimer. Nach Abschluss ihrer Studien an der Musikhochschule Mannheim vertiefte sie ihr Können bei Bernd Konrad in Stuttgart und am Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris. sch

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