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Talking Horns 13.09.2010

Tuba-Reggae und Balkan-Fanfare

Jazzclub Koblenz brachte die fulminanten Talking Horns ins Café Hahn

Koblenz. Sie produzieren viel Blech. Doch das machen die Talking Horns äußerst unterhaltsam, witzig, auf höchstem Niveau. Der Bandname ist Programm: Facettenreich erzählt das Quartett mit verschiedensten Instrumenten Geschichten für Bauch und Kopf. Auf Einladung des Jazzclubs gab es jetzt im Café Hahn köstliche Kostproben davon.

Bei den „sprechenden Hörnern" fällt sofort auf, dass sie dicht wie ein Orchester klingen. Ohne „fremde" Begleitinstrumente wie Gitarren, Bass oder Klavier und fast ohne Schlagzeugeinsatz gelingt den Kölnern eine Klangfülle, die einer Big Band nahekommt. Prachtvolle Vielfalt regiert bei brandneuen wie alten Stücken. Sie verstehen sich auf mongolische Steppensounds, jamaikanischen Tuba-Reggae, auch klassische Adaptionen und rasante Balkan-Fanfaren.

Die Viererbande steuert sicher durch die verschiedensten musikalischen Gefilde. Auf der „Autoputt" geht's flott und abenteuerlich zu, Heimatgeruch verbreitet das beschauliche „Schaukeln in Schildgen", verschmitzt klingt „Noch 'nen Sliwowitz".

Das Notenblatt wird benötigt, die aktuellsten Sachen sind noch nicht ganz verinnerlicht. Bekannte Titel brauchen dagegen keine schriftliche Vorlage. Und bei den freien Titeln steht die Improvisation klar im Vordergrund. Da nutzen die Akteure Spieldosen, Tröten, Stühle und Bühnenboden, um mit viel Klamauk zu starten.

Doch das Jahrmarktgetöse steigt schnell in schräge Jazzhöhen. Da bläst Bernd Winterschladen auf dem Tenorsaxofon, als ob Sonny Rollins sich mit John Coltrane duelliert. Auf dem Sousafon gibt Achim Fink den Mardi-Gras-Performer, Stephan Schulz den Posaunenschelm. Andreas Gildenberg entlockt der Bassklarinette tolle tiefe Töne.

Mal agieren die Blechbläser als Rhythmusgruppe, während die Saxer die solistischen Hexer mimen. Umgekehrt funktioniert's ebenso reibungslos.

Eine Reggae-Predigt vernimmt das angetane Publikum in „Raggapapa". Mächtig groovt's beim „Lauern". Kirchenmusikalisch quergebürstet, aber mit Respekt, so präsentieren die Hörner Melchiors Stück von 1609.

Spannend ist der „Hottenbacher Kriminalherbst", eine Reminiszenz an die einwöchigen Proben in einem Gasthof auf dem Hunsrück. Winter setzt mit seinem Tenor die eher ruhigen Ansatzpunkte der Ermittlungen, das Sopran von Gilgenberg forciert die Taskforce, die Tubisten Fink und Schulze gehen ebenfalls in die Vollen. Der Täter ist fast geschnappt. Doldingers Passport-Melodien scheinen sich hier Bahn zu brechen, bis Winter wieder voll auf die Bremse tritt.

Wie nicht anders zu erwarten verfällt das Quartett bei „Talking Horses" wild wiehernd in rasenden Galopp. Die Jungs mit viel Spielwitz sind einfach „Born To Be Horn" (Titel der jüngsten Scheibe). Der Beifall fällt entsprechend kräftig aus.

 

Michael Schaust
RZ Koblenz und Region vom Donnerstag, 16. September 2010, Seite 22

 

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